Wie du in politischen Diskussionen überzeugst
Kommst du bei einem AfD-Sympathisanten, Impfgegner oder Verschwörungsgläubigen in deinem Umfeld einfach nicht weiter? Dann ist diese Folge für dich.
1. Hör auf, gegen die immer gleiche Wand zu rennen.
Hand aufs Herz: Hast du wirklich unterschiedliche Strategien ausprobiert oder nur eine einzige, nämlich faktenbasierte Gegenrede? Wir können uns in politischen Diskussionen nicht allein auf Fakten verlassen, denn Tatsachen lösen nicht bei allen die gleiche Reaktion aus. Je stärker eine Meinung ausgeprägt ist, desto stärker verzerrt das Gehirn neue Informationen so, dass diese Meinung (vermeintlich) bestätigt wird.
Auch wenn wir gern das Gegenteil glauben würden: Die meisten unserer Überzeugungen sind nicht (nur) aus nüchternen Fakten heraus entstanden, sondern sie haben eine emotionale Geschichte. Der Psychologe Robert Abelson schrieb sehr treffend, dass sich Überzeugungen wie Besitztümer anfühlen: Sobald uns jemand »bestehlen« will, fallen wir in den Verteidigungsmodus. Bei radikalisierten Menschen ist die jeweilige Überzeugung zudem so eng mit ihrer Identität verwoben, dass sie faktenbasierte Gegenrede als existenzbedrohenden Angriff wahrnehmen – das kann zur Eskalation führen. Höchste Zeit also für neue Strategien.
2. Starte mit dem kleinstmöglichen Sieg.
Nur weil sich die meisten Probleme nicht in einer einzigen Unterhaltung lösen lassen, bedeutet das nicht, dass wir nichts zu gewinnen hätten.
Es ist ein Sieg, wenn du und dein Gegenüber Standards für eure Diskussionen festlegt. Was ist euer gemeinsames Minimum an Respekt? Sind Unterbrechungen okay? Woran bemerkt ihr, dass ihr euch einem Anspannungslevel nähert, das souveränen Austausch unmöglich macht? Was braucht ihr in solchen Momenten? Eine Pause? Eine Umarmung? Regeln können sich erst mal unnatürlich anfühlen – aber sie sind so viel besser, als einander ständig an die Gurgel zu gehen.
Es ist ein Sieg, respektvoll zu argumentieren. Studien wie diese zeigen, dass Höflichkeit unsere Überzeugungskraft stärkt.
Es ist ein Sieg, kognitiv empathisch zu sein, also die Perspektive unseres Gegenübers einzunehmen. (Und nein, das ist nicht das Gleiche wie Zustimmung.) Wollen wir ehrlich verstehen, welche Erfahrungen und Begegnungen die Position unseres Gegenübers geprägt haben, stärkt das die Beziehung – und verbessert so unsere Chancen, gehört zu werden.
Es ist ein Sieg, die Geschichte hinter unserer Überzeugung zu teilen. Studien wie diese zeigen, dass persönliche Erfahrungen moralische und politische Differenzen besser überwinden können als Fakten.
Es ist ein Sieg, die eigenen Argumente zu schärfen. Menschen, die sich moralisch im Recht fühlen, glauben oft, dass sie ihre Position nicht begründen müssten. Aber je klarer wir unsere Haltung erklären können, desto ruhiger und sicherer fühlen wir uns – all das kann unsere Überzeugungskraft verbessern. Vielleicht entdecken wir auch, dass wir in einem Punkt selbst gründlich falsch liegen und dazulernen dürfen.
Es ist ein Sieg, zuzugeben, dass wir etwas nicht wissen oder uns bei einem Thema noch nicht ganz sicher sind. Bescheidenheit macht uns glaubwürdiger – und sie öffnet einen Raum für unser Gegenüber, zuzugeben, dass auch er oder sie etwas noch nicht zu Ende gedacht hat.
Hältst du einen dieser Siege für realistisch? Dann lohnt es sich, dranzubleiben. Vergiss nicht: Überzeugung braucht Zeit. Vielleicht erfährst du erst in ein paar Wochen oder Monaten, dass eure Gespräche eine wichtige Veränderung angestoßen haben. Wir können und müssen Probleme nicht im Hauruckverfahren lösen. Vor allem aber dürfen wir bei alldem nicht unsere Grenzen ignorieren. Das bringt mich zum letzten Hack für heute:
3. Check regelmäßig, wo ihr steht.
Überzeugungsarbeit ist Beziehungsarbeit. Das Ziel ist, vom gefühlten Gegner zum echten Komplizen für Veränderung zu werden. Aber wenn …
du aus sicherer Quelle erfährst oder aus eigener Erfahrung weißt, dass dein Gegenüber andere belügt und manipuliert
eure Beziehung nicht stabil ist
dein Gegenüber nicht bereit ist, dir mit Respekt zu begegnen
dein Gegenüber gewaltbereit ist
… dann ist die Wahrscheinlichkeit zu hoch, dass du mit einer politischen Diskussion Zeit und Kraft vergeudest – oder dich sogar in Gefahr bringst. Selbstschutz kommt immer zuerst!
Hast du Themenwünsche für diesen Newsletter oder interessierst dich für einen Workshop zu (De-)Radikalisierung und/oder effektiver Kommunikation? Schreib mir gern. Bis bald 🫶