Was tun, wenn mein Gegenüber AfD-Parolen verbreitet?
Herzlich willkommen bei der zweiten Ausgabe von Lass mal BESSER reden! Wir sind schon jetzt knapp 1.300 Menschen und ich freu mich so, so sehr über dein und euer Vertrauen. Heute im Angebot: 5 Strategien, um in Diskussionen mit AfD-Sympathisant*innen souverän zu bleiben, ohne dass das Gespräch eskaliert und die Beziehung zu deinem Gegenüber Schaden nimmt. Fühlt sich unmöglich an? Ist es nicht – versprochen.
1. Lege deine emotionale Hausordnung fest.
Wo verlaufen deine roten Linien und wo deine orangefarbenen, wie die wunderbare Franzi von Kempis sagen würde? Welche Sätze deines Gegenübers kannst du auf keinen Fall tolerieren – und wo kannst du Kompromisse eingehen? Welche Konsequenz soll eine Grenzüberschreitung haben? Wirst du beispielsweise das Gespräch kurz unterbrechen, um einen Spaziergang zu machen? Ab wie vielen Grenzüberschreitungen wirst du nach Hause fahren, weil es sonst ohnehin nur zum Streit kommen würde?
Wichtig: Deine Grenzen sollten für alle Menschen in deinem Leben gleichermaßen gelten. Du musst dich nicht sinnlos verletzen lassen, nur weil dein Gegenüber dir wichtig ist, aber du solltest auch nicht willkürlich Grenzen verkünden, nur weil du gerade genervt bist.
Schreib deine Hausordnung am besten auf. Sie kann dich auch in herausfordernden Gesprächen daran erinnern, dass du nicht ausgeliefert bist, sondern dich schützen darfst – und kannst.
2. Stellt gemeinsam neue Regeln auf.
Zeige deinem Gegenüber, dass du weder bewerten noch streiten willst und dass dir eure Beziehung wichtig ist. Z.B. so: «Wir haben bei diesem Thema oft gestritten in letzter Zeit und ich würde gern gemeinsam mit dir einen Weg finden, wie wir besser miteinander sprechen können. Du liegst mir am Herzen. Mir ist wichtig, dass du dich nicht zensiert fühlst – und auch, dass wir gegenseitig unsere Grenzen achten.»
Fasse deine Hausordnung kurz und freundlich zusammen. Erkläre deinem Gegenüber, dass deine Grenzen nicht «persönlich gemeint» sind, sondern für alle Menschen in deinem Leben gelten. Betone mehrfach deinen Wunsch, dass ihr gemeinsam einen Weg findet, mit dem es euch beiden gut geht. So kannst du auch in der Abgrenzung eure Beziehung schützen. Lade dein Gegenüber ein, ebenfalls eine Hausordnung zu erstellen und sie mit dir zu teilen. Wichtig: Die Hausordnung sollte nur rote und orangefarbene Linien enthalten, nicht ein Anspruchsdenken auf unbegrenzte Aufmerksamkeit oder ein Kritikverbot.
Einigt euch auf feste Zeitfenster, z.B. 30 Minuten pro Tag, Woche oder Monat, in dem jede*r die eigenen politischen Überzeugungen und Argumente teilen darf, ohne unterbrochen zu werden – es sei denn, er oder sie überschreitet dabei vorab besprochene Grenzen. Außerhalb dieser Zeitfenster redet ihr bewusst über andere Themen und versucht, gemeinsam schöne Momente zu sammeln, die eure Beziehung stärken.
3. Arbeite (konstruktiv) mit Emotionen.
Wir alle wählen emotional. Wir vertrauen einer Partei nicht, weil wir ihre Entscheidungen und ihre Wahlprogramme der letzten 10 Jahre auswendig kennen, sondern weil wir glauben, dass sie für unsere Werte einsteht. (Und wir liegen damit bisweilen gründlich falsch.) Erst wenn wir die emotionale Funktion einer Wahlentscheidung für die AfD verstehen, können wir passgenaue demokratische Alternativen anbieten und Barrieren für Veränderungen aus dem Weg räumen. Sobald dein Gegenüber also AfD-Parolen reproduziert, stelle allgemeine Rückfragen, die seine oder ihre Überzeugung nicht angreifen, z.B.: «Wann hast du das zum ersten Mal gedacht?» oder «Welche Begegnungen haben deine Meinung geprägt?»
Wichtig: Nachfragen und Zuhören sind nicht das Gleiche wie Zustimmung! Sie helfen dir einfach nur dabei, die Barrieren zu verstehen, die dein Gegenüber derzeit von einer Veränderung abhalten. Vielleicht hörst du z.B. im Gespräch heraus, dass er oder sie von einem aktuellen Partner, von Freunden oder Kollegen beeinflusst wird. Eine Meinungsänderung könnte also zum Verlust wichtiger Menschen oder zu beruflichen Nachteilen führen.
Veränderung bedeutet für jeden Menschen harte Arbeit. Für radikale Personen gilt das ganz besonders, weil ihre Überzeugung, wie in Folge 1 erklärt, so eng mit ihrer Identität verwoben ist.
4. Argumentiere indirekt.
Wenn wir die politische Haltung anderer Menschen mit Fakten angreifen, entsteht meist nur Reaktanz: Sie fühlen sich zensiert und in ihrer (Wahl-)Freiheit bedroht – und werden im Zweifelsfall nur noch überzeugter «ihre» Partei wählen. Der indirekte Weg ist oft der bessere. Frag dein Gegenüber beispielsweise, welche Sätze von AfD-Politiker*innen seiner Meinung nach missverstanden oder aus dem Kontext gerissen wurden, und hake dann nach: «Du gestehst ihnen also zu, vieles nicht so gemeint zu haben, aber allen anderen nicht?» Oder erkundige dich, nach welchen Kriterien dein Gegenüber entscheidet, einer Partei zu vertrauen – und was passieren müsste, um dieses Vertrauen zu erschüttern. Behauptet dein Gegenüber, es gäbe nichts, was sein Vertrauen ins Wanken bringen könnte, kannst du entgegnen: »Was würdest du über mich denken, wenn ich das für meine Haltung beanspruchen würde?« Es lohnt sich, aufzuzeigen, wenn unser Gegenüber ungleiche Maßstäbe anlegt – denn fast niemand möchte ungerecht sein. Der Philosoph Hubert Schleichert spricht von »subversiver Argumentation«: Sie ist keine »Kritik der Art Was du glaubst, ist falsch; sie lautet: Ich zeige dir, an w a s du eigentlich glaubst.«
5. Lege dir Sätze zur Schnellabgrenzung bereit.
Gib sowohl dir als auch deinem Gegenüber Zeit, euer Miteinander zum Positiven zu verändern – und wappne dich für Momente, in denen er oder sie es (noch) nicht schafft, deine Grenzen einzuhalten. Kurze, klare Sätze helfen dir, eine ungute Dynamik zu unterbrechen, z.B.: «Ich werde dich nicht überzeugen und du wirst mich nicht überzeugen.» oder «Ich höre dich auch, ohne dass du mich abwertest.» oder «Du überschreitest gerade meine Grenze. Ich brauche jetzt einen Themenwechsel.»
Mehr konkrete Formulierungsvorschläge und Abgrenzungshacks findest du in meinem Buch The Power of No. Warum wir endlich unbequem werden müssen, das am 8. März erscheint.
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Bis nächsten Sonntag 🫶