Radikalisierung einfach erklärt, Teil 5: Das Playbook radikaler Akteure
Wir müssen über Muster reden, nicht über vermeintliche Einzelfälle.
Die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf ist ein guter Anlass, um über Allianzen zu reden. Dass christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner, Rechtspopulisten und konservative Politiker am gleichen Strang ziehen, ist nämlich (leider) keine Neuigkeit. Wir müssen über Muster reden, nicht über vermeintliche Einzelfälle. Deswegen stelle ich euch heute 3 Erfolgsstrategien radikaler Akteure vor:
1. Die Zielgesellschaft spiegeln.
Menschen mögen, was sie kennen. Deswegen etablieren radikale Gruppen Infrastrukturen wie Nachhilfeinstitute (Scientology), unterwandern Sportvereine und bieten Bürgerberatungen an (Rechtsradikale). Sie täuschen vor, sich für Ungehörte und Abgehängte einzusetzen: Der Sektenführer Jim Jones z.B., verantwortlich für ein Massaker mit über 900 Toten, war Mitglied einer Menschenrechtskommission.
Oft werden Prominente und Politiker genutzt, um die Gruppe oder Bewegung zu normalisieren: Denken wir etwa an Katy Perry, die im Vatikan Lobbyarbeit für Transzendentale Meditation gemacht hat, oder an CSU-Politiker, die sich vom Anführer der Colonia Dignidad täuschen ließen: Wolfgang Vogelsgesang z.B., damals Stadtrat in München, sprach nach seinem Besuch der von Stacheldraht, Stolperdrähten und Selbstschussanlagen abgeschirmten Sektenanlage von einer „Hoffnung für Deutschland”.
2. In professionelle (Online-)Kommunikation investieren.
Der IS veröffentlichte pro Tag bis zu 90.000 Social-Media-Beiträge, bot Lern-Apps für Kinder und für Erwachsene mehrere monatliche Magazine. Die AfD baut ihre Reden so, dass emotional aufgeladene Snippets herausgeschnitten werden können, und hat für ihre Community einfache Tutorials für virale TikToks veröffentlicht. Und bei den Demokraten? Spricht Olaf Scholz kurz vor der Europawahl über seine Aktentasche ...
3. Banden bilden.
Antifeminismus ist der Kitt radikaler Bewegungen. Rechte christliche Gruppen haben laut Open Democracy mindestens 280 Millionen Dollar investiert, um in Europa und den USA Einfluss auf Gesetze zu nehmen und Selbstbestimmungsrechte einzuschränken. Die AfD war von Anfang an von einem rechtskatholischen Flügel geprägt; ihre Vertreter laufen seit Jahren bei der Abtreibungsgegner-Demo „Marsch für das Leben“ mit. Die Partei ist Teil eines internationalen Netzwerks aus christlichen Fundamentalisten, rechtsextremen Politikern und Geldgebern.
➡️ Takeaway für die aktuelle Debatte: Um die Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf zu verstehen, reicht es nicht, auf rechte Alternativmedien und die AfD zu verweisen und zur Tagesordnung überzugehen. Wir müssen über die Einflüsse der christlichen Anti-Abtreibungslobby sprechen – und darüber, wie anfällig Teile der CDU für diese Lobby sind. Wir müssen darüber sprechen, wie radikale Akteure mit Vernetzung, Inszenierung und Täuschung arbeiten, um Debatten zu kapern – und wessen Gelder sie dabei nutzen.
➡️ Mehr Tricks radikaler Akteure findest du in meinem Sachbuch über Radikalisierung; die Audioversion gibt’s kostenlos bei Spotify.
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