Ob Trump oder AfD: Unsere Debatte über radikale Akteure fängt immer wieder bei null an. Ihre stetig wachsende Macht wird entweder als unerklärliches Mysterium verkauft, das niemand hätte kommen sehen können – oder es wird so getan, als sei alles ganz einfach. Als vermeintlich offensichtliche und einzige Schuldige gelten mal die „Linksgrünversifften“, mal die Konservativen; mal die jungen Wähler, mal die alten; mal die sozialen Medien, mal die Öffentlich-Rechtlichen. Was all diese Erklärungsansätze gemeinsam haben: Sie versuchen Radikalisierung (und ihre Bekämpfung) als Problem der anderen zu deklarieren.
Tatsächlich aber findet Radikalisierung in allen Teilen unserer Gesellschaft statt. Sie ist nur selten unsichtbar, sondern geht mit Verhaltensänderungen einher, die vom direkten Umfeld sehr wohl wahrgenommen werden – sei es euphorischer Missionierungsdrang, sei es offene Aggression. Eine Studie zu terroristischen Einzeltätern ergab übrigens, dass in 64 % der Fälle Angehörige, Freunde oder Bekannte nicht „nur” von der radikalen Einstellung, sondern sogar von den Attentatsplänen wussten.
Es ist Zeit, mit dem Hätte niemand kommen sehen können-Märchen aufzuhören. Es ist Zeit, nicht mehr zwischen „Radikalen“ und vermeintlich „Normalen“ zu unterscheiden, sondern anzuerkennen, dass grundsätzlich jede und jeder in den Bann radikaler Akteure geraten kann – und dass die meisten von uns im direkten oder erweiterten Umfeld jemanden haben, auf den genau das zutrifft. Besonders gefährdet für Radikalisierung sind nämlich, wie die Forschung zeigt und wie wir spätestens seit der Querdenken-Bewegung wissen (könnten), privilegierte Menschen: Menschen also, die viel Zeit und Geld in ihre Idee von „Widerstand“ gegen vermeintliche Eliten investieren können. Menschen, die daran gewöhnt sind, gehört und mitgedacht zu werden – und sich entsprechend schnell zum Glauben verleiten lassen, dass ihre Meinung und ihre Wünsche relevanter wären als die aller anderen.
Wer sich radikalisiert, erzählt sich das eigene Leben als Heldengeschichte. Mit Fakten und Argumenten lässt sich diese Geschichte nicht entzaubern. Mit Beziehungsarbeit hingegen schon: Die Deradikalisierungsforschung zeigt, dass Freundeskreis und Familie für radikalisierte Menschen die Tür zurück in die Welt sind. Wir müssen (und sollten) also nicht auf die Politik warten, sondern können jetzt sofort etwas tun. Mein Kommunikationsprogramm findest du kostenlos hier und zu einer bundesweiten Übersicht von Beratungsstellen geht’s hier entlang.
Nächstes Mal schauen wir uns genauer an, wie soziale Medien unsere Debatten verändert haben – und wie wir dagegen halten können. Hast du Themenwünsche für diesen Crashkurs? Schreib mir gern jederzeit. Auf bald 🫶