Unsere Erwartungen prägen unsere Begegnungen. Im Extremfall kann das lebensgefährlich sein: Halten z.B. Polizist*innen eine Waffe in der Hand, glauben sie viel häufiger, dass auch ihr Gegenüber bewaffnet wäre – selbst wenn es sich nur um ein Smartphone oder eine Geldbörse handelt. Auch wenn es in unseren Alltagsbegegnungen zum Glück nicht um Leben und Tod geht: Es ist wichtig, unsere Erwartungen und Emotionen nicht pauschal wie Fakten zu behandeln. Unsere Wahrnehmung ist einfach nur das: eine Wahrnehmung. Keine objektive, für alle geltende Wahrheit.
Wollen wir uns auf unsere Wahrnehmung und unser Bauchgefühl verlassen, müssen wir erst trainieren – genauso wie Feuerwehrleute und Ärzt*innen nicht mit dem Wissen auf die Welt gekommen sind, wann ein Haus kurz vorm Einsturz steht oder wann eine Krebserkrankung wahrscheinlich ist, sondern erst viel zu diesen Themen lernen und ihre Erfahrungen bewusst reflektieren mussten: Wann hat mein Bauchgefühl zuletzt falsch gelegen? An welchen Frühwarnzeichen hätte ich das bemerken können? Was kann ich im Nachhinein aus der Situation lernen? Worauf sollte ich künftig verstärkt achten?
Vier Impulse für achtsame Kommunikation:
1. Bodyscan
Bist du müde? Durstig? Ziehst du gerade die Schultern hoch? Schmerzt dein Kopf, Rücken oder Bauch? Vermeintlich triviale Faktoren können unsere Wahrnehmung verzerren und konstruktive Gespräche erschweren. Kurzfristige Maßnahmen zum Gegensteuern: Bewusst bequem hinsetzen und darauf achten, etwas länger aus- als einzuatmen. Eine Atemübung zur schnellen Entspannung findest du hier.
2. Priorisieren
In jeder zwischenmenschlichen Situation müssen Prioritäten gesetzt werden: Was ist mir jetzt am wichtigsten? Ein inhaltliches Ziel? Die Beziehung zu meinem Gegenüber? Oder meine Selbstachtung? Jedes Verhalten hat einen Preis: Stellen wir die Beziehung über alles andere, kann auf Dauer unsere Selbstachtung darunter leiden. Priorisieren wir hingegen zum ersten Mal seit Langem unsere Selbstachtung, wird es Menschen geben, die darauf mit Abwehr reagieren. Unser Vorteil: In Nahbeziehungen können wir den Preis eines neuen Verhaltens meist gut einschätzen – und uns entsprechend auf Widerstände vorbereiten.
3. Erfolgsmomente dokumentieren
Nimm dir vor einem herausfordernden Gespräch etwas Zeit, um dich bewusst an Momente zu erinnern, in denen du für dich eingestanden bist. Was hat dir damals geholfen? Wie haben sich dein Mut, dein Triumph, oder auch deine Ruhe und Sicherheit angefühlt? Wo hast du sie im Körper gespürt? Finde einen kleinen Gegenstand und/oder ein Bild, die diese Erfolge symbolisieren, und nimm deinen Reminder, z.B. in deiner Jacke oder Tasche, mit zum Gespräch.
4. 10 Prozent-Regel
Der Psychologe Adam Grant empfiehlt: »Sei 10 Prozent skeptischer bei den Menschen, deren Meinung du teilst, und 10 Prozent nachsichtiger mit denen, die eine andere Meinung haben als du.« So erinnern wir uns im Alltag immer wieder daran, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, dass starke Gefühle unsere Wahrnehmung beeinträchtigen können und sich in fast jeder Meinungsverschiedenheit etwas lernen lässt, wenn alle Beteiligten dazu bereit sind, die Haltung ihres Gegenübers wirklich zu verstehen, statt ihn oder sie pauschal abzuwerten.
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Hab einen feinen Sonntag 🫶